Abstract
Diesel Beitrag befasst sich mil der Sprache in gesellschaftlichen Umbruchssituationen aus der Perspektive einer spezifisch linguistischen Fragestellung. Im Zentrum der Untersuchung steht der Wandel der Sprachverwendung unter den Bedingungen der Demokratisierung der DDR und der Vereinigung mil der BRD seit der Wende 1989/90. Dieser Wandel wird am Beispiel der Lexik, und anhand von Losungen bzw. Demo-Spruchen konkretisiert. Im Zuge der 'Wende' sind $f\"{u}r$ beide Kommunikationsgemeinschaften - $\"{u}berwiegend$ aber $f\"{u}r$ die der neuen $Bundesl\"{a}nder$ - Neologismen in Gebrauch gekommen. Am bekanntesten sind: 'Mauerspecht', 'Wendehals', 'Moniagsdemo' und 'Stasi-Akte' usw. Andererseits wurden im Verlauf der Wende zahireiche Bezeichnungen, insbesondere $f\"{u}r$ $aufgel\"{o}ste$ Institutionen der DDR sowie viele verwaltungsspezifische $W\"{o}lfer$, historisiert. An Textbeispielen der Losungen des Herbstes 1989 werden uns die Dynamik sprachlicher Strukturen auf der einen Seite und die sich verandernden gesellschaftlichen $Verh\"{a}ltnisse$ in der $\"{o}ffentlichen$ Kommunikation der ehemaligen DDR auf der anderen Seite vol Augen gefuhrt. Verglichen mit den zum 1. Mai bekannt gegebenen of nziellen SED-Losungen, sind die Aktanten der Demo-Spruche das Volk, teils als Individuen und teils als spontan gebildete Gruppen. Im Unterschied zu den 'allen' offiziellen Losungen $repr\"{a}sentieren$ die Demo-$Spr\"{u}che$ verschiedenartige Sprechhandlungstypen: Nicht nur AUFFORDERN, APPELLIEREN, BEHAUPTEN, sondern auch FRAGEN, BESCHIMPFEN, DROHEN, $GR\"{U}{\ss}EN$usw. Gleichzeitig $\"{u}bernehmen$ sie viele Textmuster als sprachliche Stilmittel aus fem Bereich anderer Spruch- und Kurztextgattungen, wie zum Beispiel Sprichwort, Kinderreim, Aphorismus, Anspielung und verwenden auch Zitate. Auf diese Weise linden sich in den Wende-Losungen zahlreiche Belege $f\"{u}r$ intertextuelle $Bez\"{u}ge$. So schaffen diese Losungen $schlie{\ss}lich$ eine neue Qualitat des $\"{o}ffentlich-politischen$ Diskurses in der Gesellschaft. Am Rande der Untersuchungen haben wir $f\"{u}r$ das Deutsch in Ost und West festgestellt: $Bem\"{u}hungen$ der $Ann\"{a}herung$ und des sprachlich-kornrnunikativen Ausgleichs findet man seit der Wende 1989/90 eher auf der Seite der Ostdeutschen. Die sprachlichen Differenzierungen zwischen Ost- und Westdeutschland waren vornehmlich lexikalischer An. Es ist aber anzunehmen, dass es heute weniger die Sprache selbst ist als vielmehr das unterschiedliche Kommunikationsverhalten zwischen Ost- und Westdeutschen, das die Verstandigung zwischen Ost- und Westdeutschen schwierig zu machen scheint.